Die Tafeln: Lebensmittel retten und gleichzeitig etwas gegen Armut tun

Armut hat viele Gesichter. Der Wunsch, etwas gegen die Armut zutun, führte zur Gründung der Tafeln. Wir haben mit Andreas Steppuhn, Vorsitzender der Tafeln in Sachsen-Anhalt, gesprochen.

Mitte der 90er Jahre entstand die Tafelbewegung. Die Harzer Tafel war eine der ersten in Sachsen-Anhalt. Steigende Arbeitslosigkeit, Hartz IV und niedrige Löhne führten damals verstärkt zu Armut. Das hat die Gründung von Tafeln befördert.

Lebensmittel zu retten und gleichzeitig etwas Konkretes gegen Armut zu tun, hat Andreas Steppuhn zu diesem Ehrenamt geführt. „Ich mache diese Aufgabe einfach sehr gerne“, sagt der Vorsitzende der Tafeln in Sachsen-Anhalt.

Im Land gibt es etwa 33 Tafel mit rund 100 Ausgabestellen. „Das ist schon sehr viel im bundesweiten Vergleich“, sagt Andreas Steppuhn. „Es gibt aber immer den Wunsch auch in kleineren Ortschaften präsent zu sein.“

Oft sind es Hartz IV-Empfänger und Menschen mit niedrigen Einkommen oder Renten, die die Tafel besuchen. Aber auch Menschen die aus den unterschiedlichsten Gründen nicht arbeiten können. Da die Tafeln gemeinnützig sind, ist der ALG II Bescheid, der Rentenbescheid oder die Lohnabrechnung vorzulegen.

Der gesamte Landkreis Harz wird durch vier Tafeln abgedeckt. Dieses sind die Tafeln Quedlinburg, Wernigerode und Halberstadt. Sie alle befinden sich unter dem Dach der Arbeiterwohlfahrt Harz. In Halberstadt gibt es eine weitere Tafel, die von der Wärmestube der Caritas betrieben wird. Die Tafel Quedlinburg wurde am 01. April 1997, damals noch als Harzer Tafel, auf Initiative der Arbeiterwohlfahrt gegründet. Nächstes Jahr besteht sie 25 Jahre.

Im Jahresdurchschnitt versorgen die Tafeln in Sachsen-Anhalt ca. 52.000 bedürftige Kunden zusätzlich mit Lebensmitteln und Waren des täglichen Bedarfs. „Leider mit leicht steigender Tendenz“, so Andreas Steppuhn. „Während der Pandemie sind viele neue Kunden dazu gekommen. Die Zahlen waren aber auch stark schwankend, weil viele ältere Menschen sich zunächst nicht aus dem Haus getraut haben.“

„Positiv ist aber auch, dass viele Tafeln die Möglichkeit von sozialen Kontakten ermöglichen – was sehr gerne angenommen wird“, so Andreas Steppuhn. Als Beispiel nennt er das „Restaurant mit Herz“ der Tafel Quedlinburg.

Die Unterstützung durch die Städte und den Landkreis ist nur wenig vorhanden. „Das muss unbedingt besser werden“, sagt er. „Das Land wird ab dem nächsten Jahr unterstützen. Die Koalitionäre in der neuen Landesregierung haben dieses sogar in der Koalitionsvereinbarung festgeschrieben. Das freut uns sehr.“

In Sachsen-Anhalt sind rund 800 Ehrenamtliche aktiv. Die Koordinierung und Leitung der Tafeln findet in der Regel durch Hauptamtliche statt. Hinzu kommen Maßnahmen über den sozialen Arbeitsmarkt und Bundesfreiwilligendienstleistende.

„Steigende Altersarmut wird zunehmend zum Problem, bedingt durch lange Zeit niedrige Löhne und damit in der Folge auch niedrige Renten“, schätzt Andreas Steppuhn ein. „Aber auch Minijobs hinterlassen ihre Spuren. In besonderem Maße in Ostdeutschland. Hier ist die Politik gefordert. Ich hoffe, dass jetzt endlich ein Mindestlohn von zwölf Euro durchgesetzt wird.“

Er wünscht sich mehr Unterstützung von allen, die in Politik und Gesellschaft Verantwortung tragen. Diese muss weit über die Wertschätzung von ehrenamtlicher Arbeit hinausgehen. „Wir brauchen eine echte Engagementförderung z.B. mit einer Ehrenamtskarte und auch freie Fahrt in Bussen und Bahnen.“

„Armut zu bekämpfen, ist Aufgabe von Politik und Gesellschaft und nicht der Tafeln“, so Andreas Steppuhn. „Die Tafeln retten Lebensmittel und geben sie an bedürftige Menschen weiter. Das lindert Armut und sorgt für ein besseres Leben. Bei der Bekämpfung von Armut entlassen wir die Verantwortlichen nicht aus der Verantwortung.“

Diesen Beitrag finden Sie in gekürzter Form auch in unserem Verbandsmagazin AWO BERICHTET, Ausgabe 3/2021.