Tag des alkoholgeschädigten Kindes: Speakers Corner am 9. September 2020 im Offenen Kanal in Merseburg

Der 9. September ist der Tag des alkoholgeschädigten Kindes. Aus diesem Anlass veranstalteten die Fachstellen für Suchtprävention Saalekreis und Halle eine „Speakers Corner“ im Offenen Kanal Merseburg. An diesem Tag war jeder dazu eingeladen, über seine Erfahrungen zum Thema vor der Kamera des Offenen Kanals zu sprechen. Aus den Videoaufnahmen und schon im Vorfeld geführten Interviews entstand ein Filmbeitrag, der im Offenen Kanal gesendet wurde und wird.

Eine der Sprecherinnen vor der Kamera war Franziska Beier. Als Pflegemutter betreut sie vier Geschwisterkinder mit Fetaler Alkoholspektrum-Störung (FASD). Da sind zum Beispiel die Schwierigkeiten der Kinder in der Schule, die Franziska Beier anspricht. Die Kinder gelten schnell als „faul“, dabei können sie es nicht  besser, was aber von den Lehrer*innen nicht erkannt wird. Sie berichtet davon, welche Hürden sie immer wieder überwinden muss, um einen Pflegegrad für eines der Kinder zu bekommen oder einen Schwerbehindertenausweis, da zuständige Stellen die Behinderungen durch die FASD nicht anerkennen. Ihr größter Wunsch ist es denn auch, dass die FASD überall als Behinderung anerkannt wird. In Deutschland unterscheidet sich das zwischen den Bundesländern stark. Und in Sachsen-Anhalt geht nach ihren Erfahrungen das Thema eher unter. Für Franziska Beier ist es deshalb wichtig, dass dieses Problem öffentlich gemacht wird.  Sie wünscht sich viel mehr Informationen zum Thema FASD an geeigneten Stellen wie Kitas oder Arztpraxen.

In Deutschland kommen jährlich schätzungsweise 3000 bis 4000 Neugeborene mit dem Vollbild eines „Fetalen Alkohol Syndroms“ zur Welt. Doch die Auswirkungen des mütterlichen Alkoholkonsums während der Schwangerschaft auf das Kind werden oft erst spät als solche erkannt, manchmal nie. Expert*innen vermuten, dass die unentdeckten Fälle weit in der Überzahl sind. So gehen sie davon aus, dass in Deutschland jährlich insgesamt 12.000 Kinder mit einer unterschiedlichen Ausprägung einer Fetalen Alkohol-Syndrom-Störung (FASD) geboren werden. Die Kinder leiden ihr Leben lang unter zentralnervösen Dysfunktionen, die ihnen ein eigenständiges und gesundes Leben unmöglich machen. Was andere Kinder selbstverständlich lernen, müssen Kinder mit FASD täglich neu üben, weil sie es immer wieder vergessen.

Vielen werdenden Müttern sind die Gefahren von Alkohol in der Schwangerschaft für ihr Ungeborenes nicht bewusst. Ein Glas Rotwein am Abend wird nicht als Alkoholkonsum wahrgenommen. Doch schon wenig Alkohol während der Schwangerschaft kann ein Kind schädigen. FASD ist nicht heilbar. Was hilft, ist Prävention. FASD ist eine schwerwiegende Behinderung, die zu 100% vermeidbar ist.

Die Fachstellen für Suchtprävention Saalekreis und Halle stehen Ihnen gerne für weitere Informationen zur Verfügung.

Kontakt zur Fachstelle für Suchtprävention Saalekreis:
Leiterin: Claudia Hammer
Sixtistraße 16a
06217 Merseburg
Telefon: 03461 259206
suchtpraevention(@)awo-halle-merseburg.de

Filmbeiträge zur Veranstaltung in Merseburg

https://www.okmq.de/tv/mediathek/politisch-orientiertes-buergerfernsehen/1516-beitraege-zum-tag-des-alkoholgeschaedigten-kindes-2

https://www.okmq.de/tv/mediathek/kulturelles-und-soziales-engagement/1581-kein-schluck-kein-risiko

Der 2.Beitrag zum Thema Alkohol und Schwangerschaft entstand bewusst kurz vor den Weihnachtsfeiertagen, weil Trinksitten, gesellschaftliche Haltung und der Umgang mit Alkohol in diesen Tagen speziell sind. Es äußern sich Schüler*innen aus der Schule „Am Südpark“ Merseburg, Ärzt*innen, eine Hebamme, die Leiterin der AWO Erziehungshilfe Halle (Saale) gGmbH und eine Mutter.

„Lange Zeit galt Alkohol in den meisten Kreisen als etwas Besonderes, das man sich zu festlichen Anlässen gönnte. Das Trinkverhalten der Gesamtbevölkerung hat sich jedoch dahingehend verändert, dass heute in allen Schichten häufiger getrunken wird als vor einigen Jahrzehnten. Das tägliche Trinken von alkoholischen Getränken zum Essen, am Abend vor dem Fernseher, beim Treffen mit Freunden usw. ist für viele zur Gewohnheit geworden (vgl. Meulenbelt 1998, S.10, Lindenmeyer 2001, S.17, Tossmann 2001, S.14).

Es herrscht ganz allgemein die Einstellung, dass Alkohol gut tut. Er erleichtert nach Meinung der Mehrheit der Bevölkerung beispielsweise den Kontakt zu anderen Menschen, verschafft Entspannung, stärkt das Selbstvertrauen, fördert Humor und Einfallsreichtum, hilft bei Niedergeschlagenheit und erleichtert sexuelle Annäherungen.“

Quelle:

http://www.fasd-deutschland.de/images/Examens-_Diplomarbeiten/dipl_arb_guenther.pdf

„Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) legt in §1912 eine Fürsorgebeziehung der Eltern zum Ungeborenen fest, die als Vorwegnahme der elterlichen Sorge gilt. Dennoch erhält der Embryo in Anhängigkeit von seinen mütterlichen Umfeldbedingungen keinen ausreichenden straf- und familienrechtlichen Schutz. Eine Schwangere, die ihr Ungeborenes durch ihr Verhalten oder ihren Genussmittelkonsum schädigt, hat für die entstehenden Schäden bei ihrem Kind zwar mit moralischen Vorhaltungen der Umgebung, nicht aber mit straf- und/oder zivilrechtlichen Konsequenzen zu rechnen (vgl. Löser 1995, S.109). Obwohl die Rechtsfähigkeit nach §1 BGB erst „mit der Vollendung der Geburt“ eintritt, wird von der Rechtsprechung anerkannt, dass der Embryo als menschliches Wesen sein Recht nach Unversehrtheit nach dem Grundgesetz einfordern kann. Da der Mutterleib juristisch zunehmend als Umwelt des Ungeborenen betrachtet wird, steht auch die Lebensführung der Schwangeren zur Diskussion.“
Quelle: ebenda; S.23

Mehr Infos zum Thema:

https://www.kenn-dein-limit.de/aktuelles/artikel/tag-des-alkoholgeschaedigten-kindes/

Beitrag in der Ärztezeitung: https://www.aerztezeitung.de/Medizin/BZgA-mahnt-zu-Abstinenz-in-der-Schwangerschaft-347624.html 

Podcast der Fachstelle für Suchtprävention zum Thema: https://www.youtube.com/watch?v=qPboh43ETcI&feature=youtu.be

Beitrag in der Mitteldeutschen Zeitung: https://www.mz-web.de/saalekreis/ungeboren-betrunken-wenn-werdende-muetter-ihren-kindern-eine-schwere-krankheit-mitgeben-37318904

Factsheet der ÄGGF als PDF-Download

https://www.xn--ggf-pla.de/fileadmin/user_upload/content/PDF/presseberichte/Hebammeninfo_04-15_Kramer_Schwanger-mein_Kind_trinkt_mit_S12-14.pdf

Leitfaden für Schulbegleiter

Manual FASD-Elterncoaching_WebPdf.17112017