Informationen zu sexualisierter Gewalt

Sexualisierte Gewalt kann viele Formen haben. Die Folgen können vielfältig sein. Und noch immer kursieren Mythen.

Ein komplexes Thema versuchen wir hier einfacher zu machen – aber leicht wird es nicht. Achtung: Das Lesen könnte belasten. Aber genauso kann es auch entlasten.

Zahlen, Daten, Fakten

Was ist sexualisierte Gewalt?

Sexueller Missbrauch? Vergewaltigung? Sexuelle Nötigung oder Belästigung? Dies sind veraltete oder auch juristische Begriffe. Sexualisierte Gewalt ist mehr.
Angepasst nach der Definition „Sexueller Missbrauch“ von Dirk Bange, 2007 bestimmen wir als „Sexualisierte Gewalt“:
Sexualisierte Gewalt jede sexuelle Handlung an oder vor einem Mensch, die entweder gegen dessen Willen vorgenommen wird oder der er nicht wissentlich zustimmen kann, da er körperlich, psychisch, kognitiv oder sprachlich unterlegen ist. Täter*innen nutzen ihre Macht- und Autoritätsposition aus, um eigene Bedürfnisse auf Kosten des Menschens zu stillen.

Wie viele Menschen sind in ihrem Leben von sexualisierter Gewalt betroffen?

Kurze Antwort: Viele. Zu viele.
Lange Antwort: Wir nennen Ihnen nur eine minimale Auswahl großer, valider Studien.
Ca. zwei Kinder in einer Schulklasse waren oder sind betroffen (UBSKM, 2021). Frauen gaben 2004 an, zu zu 58% sexuelle Belästigung erfahren zu haben; 37% körperliche Formen sexueller Gewalt und 13% gaben Vergewaltigung als strafrechtlichen Begriff an (Kavemann, BMFSFJ, 2004). Bei Männern gaben 22,2% an, als Jungen sexuellen Missbrauch erlebt zu haben (Kloiber, BMFSFJ, 2004).

Ist sexualisierte Gewalt eine Form von Sexualität?

Nein.
Sexualisierte Gewalt ist eine Form von Gewalt. Es ist Machtmissbrauch. Aber es kann Auswirkungen auf die Sexualität haben.

Weiterführende Informationen und Unterstützung

Landesweite Netzwerk für ein Leben ohne Gewalt

Anlaufstellen gegen Gewalt für das gesamte Land Sachsen -Anhalt

www.gewaltfreies-sachsen-anhalt.de

Informationen zu unserer Hilfe in leichter Sprache

Beratungs·stellen gegen sexualisierte Gewalt

Hilfe-Portal Sexueller Missbrauch

Bundesweites Hilfe- und Infoportal. Hier finden Sie 24 h/7 Tage in der Woche Hilfe und Unterstützung zum Thema „Sexueller Missbrauch: www.hilfe-portal-missbrauch.de

UBSKM

Die Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs bündelt Wissen, Forschung und initiiert verschiedene Interventions- und Präventionsangebote: beauftragte-missbrauch.de

Hilfetelefon und -chat „Gewalt an Frauen“

Das Hilfetelefon ist für Frauen* und unterstützt 24/7: www.hilfetelefon.de

Hilfetelefon „Gewalt an Männern“

Das Hilfetelefon bietet explizit Männern* Unterstützung. Nicht 24/7 dafür an den meisten Zeiten von Werktagen: www.maennerhilfetelefon.de/

Aufarbeitungskommission

Die Unabhängige Aufarbeitungskommission von sexuellen Kindesmissbrauchs wirkt auf Bundesebene und engagiert sich umfänglich. Und sie hört an. Wenn Sie mögen auch Sie! www.aufarbeitungskommission.de

Mythen

Mythen kursieren immer noch. Tief in uns selbst drin, aber auch allgemein in unserer Gesellschaft. Letztendlich sind es nichts anderes als Märchen, die eine Beendigung und der Verarbeitung von sexualisierter Gewalt verhindern bzw. erschweren.

Lösen wir diese auf, wird also viel möglich.

Hier nennen wir mal drei „alte“ Mythen, denen man im Bundesgebiet auch aktuell noch begegnet:

„Die Betroffene ist selbst dafür verantwortlich/hat verführt/..“ (Unabhängig davon, wie sich jemand kleidet oder verhält, ist das niemals eine Einladung sich übergriffig zu verhalten. Die Entscheidung der übergriffigen Handlung liegt bei der übergriffigen Person. Diese entscheidet und könnte auch einfach jederzeit aufhören – bei Ihren Gedanken, während des Übergriffs oder vor der nächsten Tat.)
„Frauen können keine Täterinnen sein.“ (Statistisch sind männliche Täter die Hauptgruppe, aber immerhin sind Täterinnen mit 10-20% aller Taten vertreten, je nach Studie.)
„Männer erfahren keine sexualisierte Gewalt.“ (In ihrer Kindheit sind männliche Betroffene genauso häufig wie weibliche Betroffene. Später ändert sich das Verhältnis etwas, auch erwachsene Männer erfahren Formen von sexualisierter Gewalt. Häufiger als man annimmt.)

Dynamiken

Eine „klassische“ Dynamik von sexualisierter Gewalt ist es, dass Sie spaltet. Familien, Gruppen, Teams, Institutionen – oder den betroffenen Menschen selbst. Mit klaren Haltungen kann man dieser Dynamik beikommen.

Eine weitere „klassische“ Dynamik ist die der Schuldumkehr. Betroffenen wird impliziert sie seien Schuld an den Taten. Dabei ist es eine Strategie von übergriffigen Personen. Diese projizieren ihre eigene Verantwortung auf Betroffene und schieben diese aktiv weiter.

Noch eine beispielhafte „typische“ Dynamik: Das Nicht-Glauben-Können/Wollen. Betroffene glauben es sich selbst manchmal nicht, zweifeln – weil es das Umfeld nicht wahrhaben will. Bei den anderen kann es vorkommen, bei „uns“ nicht. Es ist eine Dynamik der Abwehr.

Es gibt noch zahlreiche andere Dynamiken.
Jede dieser Dynamiken ist (teilweise) erforscht. Und sie haben relevante und massive negative Auswirkungen. Wenn man diese kennt, kann man sich dagegen stellen und sexualisierte Gewalt beenden.

Folgen

Die Belastungsreaktionen von betroffenen Personen sind vielfältig. Es gibt kein einzelnes „Syndrom“ und sexualisierte gewalt traumatisiert auch nicht immer. Es gibt erklärbare und logische Zusammenhänge in den Reaktionen. Der Körper, das Verhalten, die Psyche, die Emotionen, das Umfeld und das soziale Leben können Auswirkungen zeigen. Diese müssen nicht immer nur „negativ“ sein. Aber belastend sind sie immer.

Was kann helfen?

Nicht für jede betroffene Person ist Beratung oder Psychotherapie der richtige Weg. Unterstützen kann sehr viel. Wege um eine Stabilisierung oder einen Belastungsausgleich zu erzielen, sind so individuell wie die Menschen. Um zu verarbeiten, eignen sich auch einige Wege und Methoden. Nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft eignen sich traumafokussierte Angebote, die Psyche, das Soziale und den Körper einbinden, besonders. Eine Stabilisierung für den Alltag kann so am zügigsten erreicht werden. Die anderen Wege können länger sein. Und für alles gilt eines: Sicherheit und Schutz vor weiterer (sexualisierter) Gewalt.